Kolumne II: Bonsai-Mythos – Substrat

Bonsai-Neulinge und vielleicht sogar -liebhaber haben ein Problem: sie sind oft keine Gärtner *undwech*

Und denken deshalb, dass ein Bonsai irgendetwas anderes ist als eine Pflanze.
Aber: jede Pflanze muss zum Weiterleben nur Wachsen, dazu braucht sie Licht, Nährstoffe und Wasser.

Vom Mythos des richtigen Bonsai-Substrates

Was gibt es nicht für eine Streit um das richtige Bonsaisubstrat, da wird gefachsimpelt, Erfahrungen ausgetauscht, Versuchsreihen gemacht. Jede Neu-Bonsaianer fragt fast automatisch sofort nach dem richtigen Stubstrat (kauft doch im bitte im Fachhandel, da ist doch schon Substrat in der Schale drin !). Einer Pflanze und so auch den Bonsais ist es jedoch völlig Wummpe, worauf sie wachsen, solange sie sich festhalten können (damit neue, feine Wurzeln nicht abbrechen) und sie Nährstoffe und Wasser über das Substrat aufnehmen können. Stimmt das alles für die jeweilige Pflanze, wachsen die auch auf einem Blech aus einer Coladose.

Entscheidend ist etwas ganz anderes: jede Bonsaiart braucht seine eigene, spezifische Menge an Wasser und Nährstoffen.
Nährstoffe werden den Bonsais wegen der kleine Schale jedoch nicht aus dem Substrat selbst (ist ja kaum was drin), sondern über Düngung zugeführt, deshalb ist es erst einmal egal, ob man ein nährstoffreiches Substrat oder 100% Styropor nimmt.

Es gibt für das richtige Substrat nur eine Entscheidung, die jeder Bonsailiebhaber treffen muss:

wie und wie oft werde ich düngen und giessen ?

Die Entscheidung des richtigen Substrates ist also dem Giess- und Düngeverhalten des Besitzer anzupassen.

Ich kenne da drei Varianten:

  1. wer ein extrem durchlässiges Substrat wählt, kann so oft düngen und giessen, wie er will (und muss das auch), alles, was der Baum nicht braucht, wird unten sofort wieder rauslaufen, der Baum nimmt also nur während des Giessens Nährstoffe und Wasser auf
  2. wer nur Nadelbäume oder nur eine Art Laubbaum hat, kann für alle Bäume das gleiche Substrat verwenden und alle gleich oft giessen und düngen
  3. wer sehr unterschiedliche Bäume hat (eine Kiefer, einen Ahorn, einen Fünffingerstrauch) muss alle unterschiedlich oft düngen und giessen oder sollte eben ein Substrat wählen, dass die Bedürfnisse der Pflanze dem eigenen Giess-und Düngeverhalten ANGLEICHT

Ersteres ist z.B. die bekannte Methode von Walter Pall. Er wählt ein sehr durchlässiges Substrat mit nur einem sehr geringen Torfanteil und giesst und düngt seine Bäume dauernd und konsequent. Ok, dann muss man nur einen sehr günstigen Dünger finden und unter seinen Bonsaipodesten ein Auffangbecken installieren, damit man das Grundwasser nicht mit dem ganzen überschüssigen Dünger verseucht (oder damit man das Gemisch gleich wieder oben reingiessen kann).

Der zweite Fall ist ja ja eher selten, die meisten Liebhaber werden sowohl Nadel- als auch Laubbäume besitzen, Säufer und Nichtsäufer, Bäume, die eher mehr Dünger brauchen oder die es karg lieben.

Letzteres wird also der Normalfall sein und jetzt gilt es halt zu entscheiden, wie und wie oft man giesst und düngt.
Ist man ein Spezialist, der jeden Baum wirklich jeden Tag 1-3x mal einzeln ansieht, um zu erkennen, ob gegossen werden muss ?
Ist man so gut, dass man am Laub erkennt, ob der Baum Dünger benötigt ?
Giesst man einfach jeden Tag jeden Baum gleich viel, vielleicht sogar automatisch und düngt einfach einmal pro Woche ?

Mal ein kleiner Einschub aus dem normalen Gartenbereich:
kauft man im Gartencenter eine Pflanze, guck man auf den Aufkleber oder Einstecker und liest: aha, brauchts sonnig und trocken. Die Pflanze steckt bereits in sandigem Boden, komischerweise jedoch mit einem recht hohen Humusanteil. Und gleich daneben steht ein Packen mit genau der gleichen Erdmischung. Warum wohl ?
Das ist einfach: wenn die Pflanze das Umsetzen im Garten nicht überlebt, denkt man ansonsten, dass das Gartencenter schlechte Pflanzen verkauft und kauft dort nicht mehr ein. Deshalb soll man gleich das richtige Substrat mitkaufen, und sich erstmal nicht ums Düngen kümmern müssen, der Dünger in dem Humusanteil ist dann für mindestens ein Jahr drin. Einmal angewachsen, holt die Pflanze sich weiteren Dünger schon durch das Wachstum der Wurzeln selbst. Und diese spezielle Pflanze, die man gerade in der Hand hält, ist halt eine, die Staunässe an den Wurzeln nicht verkraftet und trotzdem schnell wächst und viele Nährstoffe braucht, im Topf sind deshalb wahrscheinlich ein nährstoffreicher Humus mit ein bisschen Kies oder Sand.
Oder man kauft eine Pflanze, die fast ausschliesslich in Lehm steckt. Gut, die braucht halt dauernd Wasser.

Grossen Bäumen im Garten ist das alles zumeist ziemlich schnuppe, die haben einen riesigen Wurzelballen und lassen die Wurzeln halt wachsen, wenn sie neue unterirdische Areale mit Dünger erschliessen müssen. Oder haben Pfahlwurzeln, um direkt im Grundwasser zu stehen.

Bonsais haben aber kleine Schalen, die auch nicht dem artbezogenen Wachstum des Wurzelballens angepasst sind (Eichen müssten dann ja in eine Kaskadenschale). Und in den viel zu kleinen Schalen muss man jetzt nur noch dafür sorgen, dass der Baum mit einem selbst klarkommt.

Nunja …

  • das mit dem „Festhalten“ ist bei Bonsai egal, alle Bäume werden sowieso in der Schale festgedrahtet
  • man will nicht gross darüber nachdenken, wie man giesst. Im Winter vielleicht einmal pro Woche, Frühling und Herbst vielleicht einmal pro Tag und im Sommer, wenn es richtig heisst ist, vielleicht zwei- bis dreimal pro Tag (je nach Standort), aber noch komplizierter ? Ne danke …
  • dauernd Dünger anzusetzen ist auch doof, also will man während der Wachstumsperiode vielleicht einfach einmal pro Woche düngen

Daraus ergibt sich:

  • das Wichtigste vorneweg: jedes Substrat ist richtig, wenn man damit gute Erfahrungen gemacht hat 😀
  • man muss wissen, was man für eine Pflanze hat, wie trocken oder feucht sie es mag, wie oft sie Wasser braucht, ob sie auch mal komplett abtrocknen kann oder nicht, wie viel Dünger sie braucht und wie oft und PASST dann einfach das Substrat entsprechend der Durchlässigkeit und des Nährstoffanteils so an, dass man darüber die Bonsais an das eigene Giess- und Düngeverhalten angleicht
  • ein Humusanteil ist sinnvoll, wenn man in gleichen Abständen düngen will
  • für Nadelbäume nimmt man ein eher durchlässigeres Substrat
  • für Laubbäume nimmt man ein weniger durchlässigeres Substrat
  • Säufer, die auch stark wachsen, wie z.B. ein Fünffingerstrauch bekommen deutlich mehr Humusanteil
  • Säufer, die nicht so stark wachsen, bekommen auch deutlich mehr Humusanteil, aber dann z.B. eher Kokosfasern, damit nicht überdüngt wird
  • gegossen wird, wenns oben trocken aussieht und bis es unten rausläuft
  • will man sein Giessverhalten noch länger strecken können, weil man das giessen auchmal vergiesst, nimmt man einen Anteil eines Substrates dazu, dass sehr lange Wasser speichert, muss dann aber seine Bonsai schonmal vor Regen schützen, wenn es wochenlang schüttet
  • die Bestandteile sind aber beliebig durch andere Substrate, wie Bonkoko, Blähton, Styropor und was-weiss-ich-schon auszutauschen

Ergo:
Das Problem sitzt immer vor dem Baum.
Überschüssiges Wasser fliesst im „richtigen“ Substrat so schnell ab, wie der Baum es braucht, damit die Wurzeln nicht faulen.
Gutes Substrat speichert so lange Wasser, bis man wieder giesst.
Gutes Substrat erzeugt ein Düngerdepot, wenn man nicht so oft düngt.

Oder:
Man nimmt ein total durchlässiges Substrat ohne Humusanteil und düngt und giesst bis zum Abwinken …

Ich habe fertig. Diskussionen oder Streits über das richtige Substrat hoffentlich auch irgendwann …

… weiter …