Kolumne IV: Der Rat der Weisen

Was ist der grösste Fehler, den Bonsaianfänger machen können ?
Richtig: sich beraten zu lassen.

Der erste Bonsai wird ja oft genug geschenkt oder wird im Baumarkt gekauft oder man sieht mal einen in einem Foyer rumstehen und denkt sich, dass man sowas auch mal haben will. Und dann wird er adhoc mit falscher Pflege und unnötigem Aktionismus zugrunde gerichtet, denkt sich, dass man im Internet fragen könnte und bekommt dann Antworten wie folgende:

„Das ist ein Outdoor, den kannst du draussen überwintern, aber nur wenn es nicht ‚diese Varietät‘ ist, den muss du dann soundso schützen, aber nur wenn es nicht schneit und nicht unter X Grad wird, dann machst du lieber das“.

„Den kannst du auch kurz mal reinnehmen, aber nur, wenn es noch nicht geforen hatte, dann aber nicht länger als X und nur unter Licht wie folgt“.

„Schneid den mal hier“ und dann eine Woche später: „aber doch nicht JETZT !“.

„Gegen den Befall kannst du das nehmen, ist in Deutschland aber nicht mehr zugelassen, kannst du hier kaufen, mach das dann so, weil eine Anleitung nur auf japanisch beiliegt“.

„Du kannst das Substrat nehmen oder wie er hier, der nimmt die Kombination, aber nur bei denen, und dann auch nur in Verbindung mit dem oder lieber so und so“.

Und der Ratschlag kommt von jemandem, der seit 20 Jahren keinen Baumarktbonsai mehr hatte, sondern nur erwürdige, alte Bonsai, um die sich seit 50 Jahren professionell gekümmert wurde, der jede kleinste Veränderung sofort erkennt und sanft eingreift.

Was soll ein Anfänger jetzt damit anfangen ?

Gegenbeispiele:

  • es wird immer geraten, dass Indoors im Sommer draussen stehen können. Ich habe gelernt, dass Ficus sehr zickig auf einen Standardwechsel reagieren, lass Indoors doch drinnen, sind doch Indoors
  • kein Outdoor-Bonsai stirbt, wenn er im Winter keinen Frost abbekommt
  • kein Bonsai stirbt an dem Substrat, in dem er von einer Bonsaischule verkauft wurde

Anfänger brauchen einfache Rezepte, etwas, was immer klappt, nie falsch ist und müssen eigentlich davor bewahrt werden, überhaupt irgendwas zu machen. Sonst überlebt das neue Hobby nicht mal 3 Jahre und 3 Jahre sind die kritische Phase, danach hat der Anfänger schon eigene Erfahrungen, kennt seine Bäume ein wenig und kann schon selbst entscheiden und darf sogar „kreativ“ werden. Laboranten dürfen die erste Zeit nur Schalen auswaschen. Metallazubis müssen erstmal 8 Wochen am Spannblock feilen, Chirurgen üben Nähte an Apfelsinen und Bonsaischüler dürfen Bäume tragen, giessen und Schalen stapeln. Aber nur im eigenen Heim darf man von 0 auf 100 Bonsai gestalten (und Kinder erziehen).

Hier mal ein paar Ratschläge, die ich mir am Anfang gewünscht hätte:

  • kaufe Bonsai in Bonsaischulen, suche dir welche, die für dich schon fixfertig aussehen, die dir gefallen, frage den Verkäufer, wo der stehen und wie oft gegossen werden muss und dann mach genau das: lass ihn stehen und gies ihn ab und zu
  • kauf dir 10 von solchen Bonsai, damit dir nicht langweilig wird und du auf keinen Fall etwas anderes mit den Bäumen machst, als beim Wachsen zuzugucken
  • lese viel, aber mach das nicht mit deinen Bäumen, sondern merke die nur, was man machen kann
  • besuche Ausstellungen und suche dir dann Werkzeug, Schalen, Untersetzer, Tische, lerne Fotografieren, beschäftige dich mit 10 Beistellern (die sind einfach): damit du auf keinen Fall etwas anderes mit den Bäumen machst, als beim Wachsen zuzugucken
  • bau dir für deine Outdoors ein beheizbares Kalthaus für den Winter
  • Umsetzen ist etwas anderes als Umtopfen
  • ab dem zweiten Jahr weisst du, was mit deiner Pflege überlebt, dann hol dir von denen noch mehr und fang dann mit Erhaltungsschnitten an, schneide an einem und den anderen von der gleichen Art, lässt du wachsen, vergleiche die beiden dann übers Jahr
  • dokumentiere deine Bäume. Fotografiere wo du was geschnitten hast und vergleiche dann im nächsten Jahr, zu was das geführt hat
  • nimm mal eine Baumschulpflanze dazu. Falls die erste „Gestaltung“ schief geht, wird es dich nicht gleich umwerfen, weil du ja noch andere hast, die du gut versorgt hast
  • mach dir dann einen Kalender pro Pflanze, damit du jeden Monat weisst, ob etwas zu tun ist und verbessere den Kalender immer wieder
  • geh kein Risiko ein, weder beim Überwintern (Kalthaus !), noch beim Substrat (nimm was die Bonsaischule empfiehlt !), noch bei Zeitpunkten (halte dich strikt an Pflegekalender)
  • topfe nicht gleich um, die meisten Bäume überleben einige Jahre in der Erde, in der sie stehen
  • es ist normal, dass du mal eine Pflanze killen wirst
  • schmeiss weg, was krank ist oder nur „rummickert“. Oder pflanz es in den Garten. Das ärgert sonst nur mehr, als du dadurch lernst

Und dann, nach 2 bis 3 Jahren, dann höre auf die Weisen, höre auf jeden Ratschlag, merke dir alles, bringe deine Bäume zu einem AK oder Profi und folge ihrem Weitblick. Sortiere die Infos aus, die du zu kompliziert und zu exotisch findest und die (noch) nicht zu deiner Arbeitsweise passen. Lerne aus den schlechten Erfahrungen von Anderen. Ordne das alles in deine eigenen, bereits gemachten, Erfahrungen ein. Nimm dir Projekte von Profis als Vorbild und kopiere sie, orientiere dich nur an den Besten. Und gibt anderen Anfängern vorsichtige, pauschale Ratschläge, bei denen du immer deine Lernphase bedenkst und bei denen nichts schief gehen kann, aber auch gar nichts. Und reflektiere dich darüber selbst. Stelle dadurch fest, wovon du schon Ahnung hast und wovon nicht.

Und dann, dann mach mal was Verrücktes …

… weiter …