Kolumne V: Der Erfinder der Bonsais

Wer hat das eigentlich erfunden ? Bonsai.
Also ich meine, welche Person genau. Ein Li oder Hiroto ? Jung oder alt ? Reich oder arm ?

Vielleicht kommt man diesem Phänomen auf die Spur, wenn man nicht nach dem WER, sondern nach dem WARUM fragt.

Ein Chinese mit einem kleinen Garten ? Kann ich mir kaum vorstellen, vor zig-Hundert Jahren gab es bestimmt genug Platz in China, da würde die Erfindung wohl eher erst heute kommen. Oder hatte er einen extrem grossen Garten, mit sehr viel Rasen oder Reisfeldern zwischen Haus und Obstbäumen und er war zu faul, um zum „Bäume-umarmen“ so weit laufen zu müssen. Oder war es Zufall. „Schatzi, guck mal, was in meinem Balkonkasten wächst.“ Gabs damals schon Balkonkästen ? Eher nicht. Vielleicht war der erste Bonsai auch nur ein zwischen Steinen Eingequetscher, der von einem Uröko errettet und nach Hause genommen wurde. So eine Art Streuner-Syndrom für Bäume ? Vielleicht stimmt ja sogar die Legende vom chinesichen Zauberer und seinen Landschaften auf dem Tablett, wobei ich mich dann doch frage, was das sollte. Landschaft begucken, schwuppediwupp machen und hab dann ne Kopie in Klein auf dem Schoss ? Wozu sollte das gut sein? Einen langweiligeren Zaubertrick hab ich noch nicht gesehen, dann doch lieber Jungfrauen zersägen.

Also zurück zum WER. Wer macht denn heute Bonsai? Hauptsächlich gut situierte Leute, die einen Garten haben und deren Kinder schon längst weit weg sind. Alte Säcke also. Geht auch kaum anders:

  • muss man über gewisse Mittel verfügen. Ja, geht auch ohne Geld, sieht dann aber erst in 30 Jahren nicht mehr Kacke aus
  • muss man Zeit haben. Die Arbeit hat sich eingeruckelt, die Karriere hat ihr Limit erreicht und die Enkel sind höchstens in der Planung. Und bevor man nur noch im Lehnstuhl hocken und sabbern kann …
  • sollte man schonmal mit Pflanzen Erfahrungen gesammelt haben. Mit Bonsai fängt man also an, wenn jede Pflanze im Garten schon längst plaziert, jeder Halm geschnitten und sich weitere völlig sinnlose Anschaffungen, wie z.B. ein Pool (nie genutzt), eine Kräuterschnecke (nie gepflegt) oder ein Steingarten (passt nicht mehr zum Japangarten), Staudenbeete und ein Teich (findet die Frau zum Schwimmen zu schmuddelig) längst angesammelt hat. „So, fertig, was stell ich mir als nächstes hin ?“ heisst die Frage, nachdem man Haus und Garten fertig hat
  • muss man die Hektik des jungendlichen Wahnsinns hinter sich gelassen haben und ein bisschen Mitlife-Crisis ist ein guter Grund, um sich was neues zu suchen
  • dürfen Kinder und Ehepartner einen nicht mehr dauernd ablenken. „Schatzi, kannst du das mal bitte festschrauben ?“ „Ja, mach ich nachher, ich drahte noch“. „Du meinst doch nicht, dass ich das die Teile vom Kinderbett solange halten muss ?“ oder „Schatzi, warst du schon Getränke holen ?“Moment, ich drahte noch.“ „Soll der Kleine etwa verdursten ?“ oder „Schatzi, kannst du mal den Kleinen wickeln“. „Moment noch, ich will erst fertig drahten“. „Vielleicht kannst du den Popo von deinem Sohn auch mit Draht zumachen …“. Ne, kommt alles nicht so gut

Sind die Punkte alle erfüllt, kann man mit Bonsai anfangen. Sich in der Gartenhütte einschliessen, wenn die Schwiegereltern kommen. „Liebling, ich mag deine Eltern sehr, aber der Baum geht kaputt, wenn ich das nicht heute mache“ ist eine der besten Ausreden für die Ehefrau mit hohem EQ. Oder zum AK fahren, wenn die beste Freundin der Frau ihren Besuch angedroht hat. „Stefan, sag mal, war heute nicht AK-Treffen“. „Ja klar, auf jeden Fall“, sagt da der AK-Leiter, der mit einem Blick auf den Familienkalender festgestellt hatte, dass da was von „Prosecco kaufen“ steht und das Schlimmste für sich selbst ahnt. Schlimm ist das aber alles nicht, eher normal. Leute um die 50 fallen niemanden zur Last, sind meist leicht vom Leben gehärtet und deshalb viel ruhiger und bis auf die Arbeiten mit dem Dremel, machen sie nicht einmal Krach.

Und wer war nun der Erfinder von Bonsai ? Einfach. Ist mir jetzt völlig klar:

Ein ca. 50-jähriger esoterisch angehauchter Öko-Chinese, der mit grossen Reisfeldern um 200 nach Chr. genug Geld verdient hatte, sodass seine Kinder ausziehen konnten und der genug hatte von seiner Alten, deren Freundeskreis und der Verwandschaft. Seine Augen, sein Fuss, Knie oder Rücken hatte schon bessere Tage gesehen. Aber handwerkern muss sein. Zum „Auf-Bäume-Klettern“, um den jährlichen Rückschnitt zu machen, hatte er einfach keinen Bock mehr und hat den Teil schon längst seinem Gärtner überlassen. Und im Kalender stand was von „Prosecco kaufen“

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