Kolumne XXI: Sommertag

5.00 Uhr. Bin wach, weil mir zu viel im Kopf rumgeht. Was ich heute alles machen muss. Ist noch kühl draussen, die Fenster sind offen. Die Vögel halten aber die Schnauze, weil die auch schon wissen, was noch kommt und sich nicht jetzt schon völlig verausgaben wollen. Ich döse nochmal weg.

7.30 wecken mich die ersten Sprenger, sprotzend pusten sie die Luft aus den Leitungen, um ihr Tagwerk zu beginnen. So auch ich. Ab in die Nasszelle. Toilette, Duschen, Rasieren, Anziehen. Das schafft der moderne Mann auch in 4 Minuten. Zack, zack, abgehakt. So. Wie war die Reihenfolge, die ich um 5.00 noch im Kopf durchgehechelt hatte ? Kein Ahnung mehr.

Ja. Zuerst noch zwei Zusatzsprenger an Stellen versetzen, die gestern nichts abbekommen hatten, da ist jetzt noch Schatten, prima. Die automatischen Sprenger und die Urlaubsbewässerung für die Säufer unter den Bonsais kontrollieren. Urlaubsbewässerung ? Solch Hohn noch vor dem Frühstück kann ich grad gar nicht ab. Hab mir extra Urlaub nehmen müssen, um der längst auch im Speckgürtel der Hauptstadt angekommenen Klimaerwärmung zu begegnet. Wegfahren ? Unmöglich.
Also weiter zum Anzuchtbereich. Hm, was ist das ? Am Übergang vom Rasen zum Gehweg sind ca. 30 Schnecken wie die Lemminge über die Klippe gesprungen und „en bloc“ verendet. Eklig. So eklig, dass ich fix ein Foto machen muss. Kamera holen, erledigt. Aber die erinnern mich dran, nochmal Schneckenkorn um die Funkien zu streuen, sonst sind die Funkien morgen weg. Mist, kein Schneckenkorn mehr da. Zurück ins Haus. Schlüssel, Papiere und ab zum Baumarkt. Bin zu früh, macht erst 8:30 auf. Ok. Also bis dahin ne Thüringer zum Frühstück. Essen schaffe ich tagsüber sowieso nicht. Schneckenkorn, noch ein paar weitere Schläuche für die Urlaubsbewässerung gekauft.

9:30. Alles verbaut und verstreut, die Sonne kommt rum. Die Solitäre müssen das erste mal mit der Ballbrause gegossen werden. Restliche Bonsai kontrollieren. Substrat, Unkraut, Blätter. Unkraut ist schon wieder da. Pinzette raus und losgezupft. Die Eichen haben auch schon wieder Mehltau. Puh. Wieder ins Auto, Supermarkt, Buttermilch kaufen, zurück, umgefüllt und losgespritzt.

11:00. 28 Grad im Schatten, bin schon wieder völlig durch. Die Luftfeuchtigkeit kondensiert am Körper, unter der Hose und unter dem T-Shirt. Bäh. Das zweite mal duschen und umziehen. Die Korkulme und den Feuerdorn wollte ich heute zurückschneiden, ist aber eigentlich zu heiss. Ok, die Bäumchen ins Bad tragen, da ist es angenehm kühl und schön feucht. Hinterher stell ich die halt in den Schatten.

13:30. Die Sonne knallt jetzt so richtig runter. Will nich mehr raus. Muss aber. Die Solitäre brauchen wieder Wasser. Warum stell ich die nicht auch unter die Sprenger ? Hm, weil gestern 22 Grad waren und morgen auch wieder, lohnt nicht. Also los. Baaamm. Die stehende Hitze trifft mich, wie ne Keule. Eine Wand aus Backofenluft. 48 Grad in der Sonne.
Brauch ne Pause. Für ein Schläfchen aufm Sofa ist es dort aber schon zu heiss und in der Dusche kann man eher nur schlecht schlafen. Also egal, durchmachen und weiterhetzen. Die Beisteller sind dran. Was ist das ? Vor drei Tagen hatte ich ein paar Eidechsenschwänze in eine grosse Schale getopft, nicht als Beisteller für Bonsai, sondern einfach nur so. Die Blätter sind sowieso zu gross. Und jetzt spriessen am Rand etwa zwanzig bis dreissig neue Triebe ? Mist, dann ist die Schale zu klein. Also nochmal trennen und wieder umtopfen. Bei den restlichen Kusas alte Blätter, Blütenstiele und Unkraut entfernen. Die Moosexperimente fotografieren. Alle nochmal giessen. Fotos auf den Rechner laden und sortieren. Doku schreiben. BFF ? Keine Zeit. Muss noch harken, bevor der Mähroboter losfährt, stürmt ja jetzt hier irgendwie einmal pro Woche. Also ab in die Badehose. Und einschmieren.

17:00. Falle ausgedörrt in den Pool und trinke ihn bis auf 10cm Wasserstand runter. Falle ins Koma bzw. Dämmerschlaf. Kann man in 10cm Wasser ertrinken ? Ja, kann man. Weia, das war knapp.

18.00. 30 Grad. Giessen gehen, jetzt wirds hoffentlich kühler. Kontrollgang. Alles ok. Aber der Schneckenhaufen ist weg. Sachen gibs.

Brauch was zu essen. Diät ? Ne, brauch ich nicht im Sommer. Kohlenhydrate schaufeln, sonst bin ich im Herbst völlig ausgemergelt. Ein letztes Mal duschen, alle Fenster wieder aufreissen. Blasen aufstechen, Panthenol auf die verbrannte Glatze schmieren. Von der Terrasse in den Garten gucken. Erschöpft, aber glücklich einschlafen …

… weiter …