Kolumne XII: Herr Händler, bitte zum Diktat

Angefangen hat diese Kolumne eigentlich auf der Noelanders. Käufe, selbst im Tausender-Bereich, wurden grundsätzlich bar abgewickelt, wo jeder Imbiss mittlerweile ein über Funk betriebenes POS-Terminal besitzt und EC oder Kreditkarte Standard sind. Da konnte man an der dicken Gesässtasche einiger Besucher schon sehen, wer grad richtig einkaufen wollte. Geldscheine wechseln doch heutzutage eigentlich nur noch bei schwarz beschäftigten Bauarbeitern oder beim Drogenverkauf deines ortsansässigen Dealers von Hand zu Hand.

Online ist da bei einigen Händlern aber auch einiges im Keller. Was ist man nicht von der Bucht, von der Amazone und diversen Gartenshops verwöhnt. Sortiert nach Preis, Alter, alphabetisch, als Übersicht, gekachelt oder der Relevanz entsprechend der letzten Einkäufe. Drauf geklickt, Warenkorb, als Gast bestellt, Paypal oder Lastschrift, Bingo. Das ganze wird dann bestätigt, nochmals, wenn die Lieferung raus ist, mit Link zur Paketverfolgung und wupp, 2 Tage später ist alles glatt. Kommentar im Gästebuch: gerne wieder.

Nicht so bei den Shop-Bonsaianern. Nicht enden wollende Textlisten oder Kategorien, die aber auch nichts mit dem zu tun haben, was ich eigentlich suche. Navigationskonzepte, die einen ins Online-Nirvana jagen. Vielleicht ist mir gerade egal, ob die Hainbuche, die ich schlussendlich kaufen werde, ein Shohin, Solitär oder Rohling ist ? Feldkultur oder Jungpflanze ? Standort, Früchte, Belaubung ? Ich suche einfach nur eine Hainbuche. Und die will ich aus einer Liste aussuchen können. Oder mich interessiert gerade gar nicht, ob meine Schale grün ist oder aus Tokoname kommt, sie soll einfach nur die richtige Grösse haben ?
Ein anderer hat etwa 4 verschiedene Shops und acht Domains, so schafft man sich auch eine Marke.

Dann erstmal das vierhundertste Shop-Konto anlegen. Kein Wunder, wenn der Normalsurfer überall das gleiche Passwort nimmt. Gastbestellung nicht möglich. Die Versandkosten oder -varianten und die Bezahlmöglichkeien werden einem natürlich auch erst angezeigt, nachdem man sich wieder digital bis auf die Unterhose ausgezogen hat. Warum will der Händler wissen, wie alt ich genau bin ? Reicht es nicht zu klicken, das ich volljährig bin ? Und wupp, ich hab die tolle Auswahl zwischen Abholung und Vorkasse, wie fortschrittlich.

Ok, auch geschafft und siehe da eine Bestellbestätigung. Zum Ausdruck natürlich völlig ungeeignet, einfach nur unsachgemäss formatiert. Und die auch keine Auftragsbestätigung ist ? Aja, war ja Vorkasse, die müssen wohl erstmal zur Bank fahren und gucken, obs Geld da ist. Klar ist es da, nur 17 Minuten später, habs ja gleich online angewiesen. Eine Woche später gibt es zwar eine Auftragsbestätigung, aber keine Versandmitteilung. Per eMail nachgefragt, nix. Muss ich wohl wieder anrufen, ist ja ein grosser, bekannter Händler. Telefon=AB. Prima, weiter warten. Ich seh es schon wieder voll in die Hose gehen, dann kommt bestimmt keine Rücküberweisung, sondern ein Gutschein. Leute, Gutscheine sind im Online-Handel nicht zulässig.
Bei einem anderen bekomme ich zwar eine Bestätigung aber keine Schale, eine Woche später nachgefragt, aha, das Lager wird grade umgebaut, die Schale gibt es nicht mehr oder wird im Chaos nicht gefunden. Schon mal was von Warenwirtschaft und Back-Office gehört ? Hab nach einer Alternative gefragt. Keine Antwort. Der Kollege ist wohl heute noch beim umbauen …

Es gibt natürlich auch Gute: mit allen Versand- und Bezahlmöglichkeiten, die alles gleichzeitig bei Amazon oder ebay mit einstellen, dann kann ich bei ebay suchen und in deren eigenem Shop bestellen, ist für den Händler dann günstiger. Vielleicht manchmal nicht richtig schick, aber antwortet zeitnah auf eine eMail und wenn ich in der Suche „Hainbuche“ eintippe, kommen auch alle Hainbuchen mit kleinem Bildchen in einer Liste, die ich nach Preis oder Alter sortieren kann. Da findet sich schnell das richtige und bei dem netten Kontakt fährt man dann auch gerne mal hin.

Jetzt mal Butter bei de Fische. Gute Händler hin oder her. Tolle Gestalter, mag alles sein. Riesige Auswahl und qualitativ hochwertig Pflanzen vor Ort, super. Aber wenn ich was bei Bonsai nicht weiss, rät mir jeder, ich soll jemanden fragen, der sich auskennt. Wenn ich die Handgriffe nicht beherrsche, rät mir jeder, ich soll zu einem Seminar oder Workshop gehen. Und das ist auch gut so. Das ist vernünftig, das mach ich dann auch. Und darum rate ich mal dem ein oder anderen Händler: Wer einen Online-Shop hat, darf dann aber auch mal eine Webagentur beauftragen, die was drauf hat und weiss, was intutive Navigation und responsive Design ist, damit es auch vom Smartphone klappt. Oder er stellt einen Einzelhandelskaufmann ein, der sich um die Abwicklung kümmert und dann den Bestand in eine passende Mietshoplösung mit allen notwendigen Zusatzplugins einpflegt und lässt das weder Mutti noch den Sohnemann machen. Und liest nicht nur Bonsai Focus oder Bonsai Art, sondern eben auch mal die ct oder die e-commerce. Oder er geht zur VHS oder IHK und drückt mal ein bisschen die Schulbank. Und schreibt auf seine Homepage bis dahin lieber: Unser Onlineshop ist noch in Vorbereitung. Sie erreichen uns vor Ort unter …

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