Kolumne XXIV: fällt ?

Komisch. Wenn ich bei einer Austellung oder Workshop das erste Mal mit jemandem ins Gespräch komme, sticht immer eine Frage heraus: „Na ? Welche Bäume gefallen dir so am Besten ?“. Was soll man denn darauf antworten ? Bin ich Karl Lagerfeld und kenne die Mode von gestern bis morgen ? Das Orakel von Selfie (was btw. nicht mal die Finanzkrise im eigenen Land vorherhersehen konnte) ? Hab ich einen Youtube-Channel und kondensiere den Geschmack von Millionen, dass es relevant wäre, ob ich eher auf Laub oder Nadel stehe ?
Alles: NE ! Ist unwichtig, was ich toll finde, da lasse ich mich gerne mal überraschen. Kann vieles sein. Aber ich kann euch sagen, was ich nicht mag, was aus der Bonsai-Art schlägt, abartig, verirrt oder einfach nur geschmacklos ist.

Ulmen zum Beispiel. Und nur, weil ich die mir (genauso wie den gleichnachnamigen Christian) sattgesehen habe. Irgendwann ist es zu viel und man droht in den Augen so eine Art Nachhall zu erleben. Zu viele davon und es bleibt ein Restbild, für immer. Gestern beim Augenarzt. Er: „Weia, haben Sie zu lange in die Sonne geguckt ?“. Ich: „Neeee (stöhn), zu viele Ulmen …“

Bonsai-über-Fels ist auch sowas. Ich meine hier jetzt keine Felspflanzungen, die ein Gebirge als Diorama nachbasteln. Sowas ist cool, selbst mit kleinen Jägern oder Spaziergängern dazwischen. Aber so ein Alien-Dreifuss aus „Krieg der Welten“, der durch die Wüste stolpert und sich dann auf einem Stein niederlässt, damit er mal den Überblick bekommt und lecker blutige Rinnsale darüberkleckern lässt ? Bäh. Wie Heidi Klum, die nach der „ich-esse-einfach-sechs-Monate-gar-nichts-mehr“ Diät an einem Strand in Gran Canaria ermattet über einem Stein zusammenbricht und die durch einen finalen Schuss erlöst gehört und dann ein „Danke“ übers Brandungsrauschen quiekt. Kann man Bäume erschiessen ? Klar, ist nur Sachbeschädigung. Und die quieken dann genauso wie die Alraune bei Harry Potter oder eben Uns-Heidi. Hat man ne Lücke im Stamm, war die „über-Fels-Gestaltung“ bestimmt geplant. Klar doch. Glaub ich sofort (zwinker, zwinker). Zu dicke Luftwurzel. Ebenso. War logischerweise Absicht. Nur drei Wurzeln am Ansatz. Über Fels. Frei nach dem Motto: Ist der Baum nicht richtig schick, setz ich ihn einfach auf Granit. Noch sinnloser sind nur noch frei plazierte Felsbrocken neben dem Baum, in der gleichen Schale.

Zur S-Form sag ich nichts mehr, sieht selbst bei einer zweihundertjährigen Eibe diletantisch aus, da reicht mir jeder Doppelschwung. Doppelschwung gehört nur zu „Dirty Dancing“ und da krieg ich auch adhoc so einen Reflex im Halsbereich. Warum denn immer „S“-Form ? Macht doch mal ein A oder K. Z und X wären auch mal was Neues. Und ein H wär besonders lustig.

Aber Leute, jetzt festhalten, anschnallen und aufrechte, aber sitzende Position einnehmen. Am Besten noch mit Kissen die Körperseiten puffern, damit ihr nicht vor Schreck umkippt. Jetzt kommt das Schlimmste. Die Design-Qual überhaupt. Die Abart und das Verbrechen an jeglichem Geschmack. Die Mutation des Bonsaibereichs und verfehltes Handwerk. Jetzt kommt: … weiss angemaltes Totholz (im Gegensatz zu verwittertem Totholz) ! Weiss angemalt geht nicht, will ich nicht, wIll ich nicht einmal dran denken. Ist nicht nur unnatürlich, sondern bringt ein zu hohes Mass an Künstlichkeit und das falsche Handwerk (wir sind Gärtner, nicht Maler !) zu den Bäumen. Verdeckt sämtliche Schattierungen des Holzes und schmiert alle Löcher und Ritzen zu, die so interessant zu bestaunen wären.
Was hat man da schon gesehen. Fichten, deren Spitze verfault war und der Bonsaianer versucht sie durch Anstreichen zu retten. Pieckst aus dem Baum wie die Antenne auf dem Fernsehturm. Potis mit 34 grell-weissen Jins. Geht man ein bisschen zurück, verschwimmen die Jins zu Punkten oder Bildrauschen, Streuselkuchen im Shohin-Regal. Bah. Wacholder, die nur noch aus angemaltem Nudelteig bestehen, siebzehnmal hin- und hergezogen und verknotet. Tanukis, mich schüttelts.

Huh, kleiner Break. Muss erstmal durchatmen. Allein das Kopfkino macht mich fertig …

Bleibt noch die Antwort auf die Frage, was so ‚fällt, wie man neuerdings spricht.
Hm, eigentlich alles andere. So einfach kann das manchmal sein. Wenn die Antwort so einfach ist, braucht hoffentlich keiner mehr fragen. Falls doch, kommt sofort meine Gegenfrage: „was gefällt dir denn so gar nicht ?“ Könnte dann ein interessantes Gespräch werden.

… weiter …