Kolumne XXIX: Bonsaitypen

Wie das Herrchen, so der Hund. Sagt man. Auch über die Herrchen kann man hier im Forum viel lernen. Wer egozentriert ist, kann oft nicht verstehen, warum andere anders ticken. Will man aber die Bäume verstehen, lohnt oft auch ein Blick auf den Pfleger.

Auch gibt es ziemliche, äh ja, ich nenn es mal „Eigenheiten“. Ich z.B. bin ein „Pflegevergesser“. Nein, ich vergess jetzt nicht meine Pflanzen zu pflegen, das wird jeden Tag kontrolliert. Ich vergess bloss dauern, wie die heissen und was da wann zu machen ist. Da steh ich im Herbst vor einem Beisteller und frag mich, warum der grad so schlapp aussieht. Irgendwie ungut. Und-hab-kei-ne-Ahnung.

Diese Art „Defekt“ hab ich aber mit meiner Datensammlung kompensiert. Also an den Rechner, Bild gesucht und die daneben abgelegte Pflegedatei aufgerufen, aha. Fetthenne, ich Depp. Einjährig. **Schnipp**.

Auch bin ich wohl ein „Einheimischer“. Zur Exotik hab ich keinen Draht. Was bei mir im Garten von alleine wachsen würde, kommt auch in die Schale. Aber Oliven ? Ficus ? Irgendwas, was im Winter 12 Grad will ? Neeeeee, da bin ich nicht der Typ zu und muss mich wohl beschränken. Auch ok.

Andere haben wieder andere Schwächen. Z.B. Perspektivlosigkeit. Sitzen vor ihren vor Kraft strotzenden Pflanzen und begreifen einfach nicht, wie der Baum in 10 Jahren aussehen könnte. Oder kaufen sich einen, „weil er mir gefällt“. Null Fantasie vorhanden. Und auch keinerlei Plan oder Idee. Auch wenn der Baum dank Mithilfe von anderen längst auf dem richtigen Weg ist, wird sich noch einmal umentschieden und der falsche Äst kann auch gern mal fallen. Da hilft nur gemeinsames arbeiten. Dauernde Korrekur von aussen sozusagen.

Wieder anderen fehlt es vielleicht an Originalität, da steht ein Baum wie der andere da, ala „das hab ich schon immer so gemacht“. Ja, sieht man. Macht aber nichts, sieht ja trotzdem gut aus.

Stärken hat auch jeder. Der eine ist der Pflegeguru, kennt jede Pflanze, weiss aus dem Kopf das Optimum herauszuholen, beim dem wächst einfach alles. Der nächste sieht sofort im üppigen Gestrüpp den perfekten Baum. Ein paar Schnitte, ein Kilo Draht, voila. Auch gibt es den Handwerkertyp. Perfekt gedrahtet, mit einer Leichtigkeit, die schon verwirrt. Die Schnitte sitzen beim allerersten mal, bei denen wächst jede Wunde zu. Jeder Wurzelballen ein Traum und die krasse Biegung wird exakt bei 99% des maximal möglichen beendet. Ast gebrochen ? Bei denen doch nicht. Auch gibt es noch die „Organisationstalente“, die „Helfer“ oder die „Fragesteller“ und „Forscher“ und und und …

Schön ist, wenn beim Herrchen die Stärken überwiegen und die Defizite durch kleine Tricks und Hilfen zu überwinden sind (ansonsten sollte derjenige wohl lieber mit dem Hobby aufhören). Hilfreich ist auch, wenn man in den Spiegel guckt und seine eigenen Stärken und Schwächen sucht. Auf seine Stärken kann man ruhig einmal Stolz sein und Schwächen lassen sich korrigieren. Selbstreflexion nennt man das wohl. Auch dadurch werden Bäume besser.

Also was für ein Bonsaityp bin ich ? Was für ein Bonsaityp bist du ? Auch ein Träumer, Phlegmatiker oder Aktivist ? Ignorant, Weichei oder „Türeneinrenner“ ?

Am Besten ist, wenn man Stärken und Schwächen auch an Anderen erkennt, nur so kann man respektvoll miteinander umgehen. Denn „anders“ ist nicht schlecht, sondern eben nur anders.

BTW: ich beginne viel zu viele Sätze mit und oder mit oder. Hab ich jetzt mal geändert …

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